Über den Rückgang zahlreicher Insektenarten

Es gibt viel zu schützen! Der Bestand einer Tiergruppe, der Wespen, geht seit Jahren dramatisch zurück. Daher gilt es, diese Insektenarten, die außerordentlich nützlich sind, zu schützen und geeignete Lebensräume zu schaffen. Während auf dem Hof seit Jahren konstant hohe Hornissenpopulationen leben, geht der Bestand an anderen Wespenarten immer weiter zurück. Die Projektfläche bildet mit angrenzenden naturnahen Nachbarstücken ein voll geschlossenes Reservat von einer Größe von ca. 30 Hektar, in dem keine Spritzmittel verwendet werden und hervorragende Bedingungen herrschen. Anscheinend ist das aber immer noch nicht genug. Daher ist das Zusammenführen aller am Schutz der gefährdeten Tierarten interessierten Personen notwendig.

Wo sind sie geblieben? Wer ist der Nächste?

Wer kennt sie nicht, die kleinen schwarzgelb gestreiften Gesellen, die uns allen mächtigen Respekt einflößen in Kenntnis ihres äußerst schmerzhaften Stiches. Sie gehören zu der Gruppe der sozialen Faltenwespen, von denen es bei uns ca 60 Arten gibt. Jedes Volk entsteht zunächst nur aus einer Königin, die den Grundstock legt aus Larven, die später ein ganzes Volk bilden. Die Wespen erfüllen wichtige Aufgaben im Ökosystem und sorgen für ein natürliches Gleichgewicht in der Natur. Die größte einheimische Art der Wespen ist die Hornisse, die Nester baut von einer Größe von 50 cm Länge und 40 cm Breite. Am bekanntesten ist jedoch die gemeine Wespe, die jeder kennt, weil sie auch die süßen Getränke und Speisen der Menschen liebt.

Während die erwachsenen Tiere sich vom Nektar der Blüten und anderen süßen Säften ernähren, werden die Larven mit einem eiweißreichen Fleischbrei aus Insekten gefüttert. Im April verläßt die Königin ihr Winterquartier, ernährt sich von Blüten und beginnt allein mit dem Bau des Nestes, unterirdisch, in Gebäuden, Gebüsch oder anderen geeigneten Räumen. Daraus entwickelt sich dann ein ganzes Volk.

War in den letzten Jahren schon ein stetiger Rückgang zu beobachten, stehen wir 2014 vor einer katastrophalen Situation. Es ist Hochsommer, herrlicher Sonnenschein, überall hängt und liegt reifes Obst, nur - keine Wespe in Sicht. Unsere stichprobeartigen Zählungen im Juli, August und September haben ein Vorkommen von 3 in Worten drei gemeinen deutschen Wespen ergeben. Das Untersuchungsgebiet umfaßt unseren Versuchsstandort/ Inselprojekt in Herbergen zu einer Größe von 25 ha vollständig arrondiert und alternativ bewirtschaftet. Dort haben wir unseren landwirtschaftlichen Betrieb, inmitten einer " normalen" landwirtschaftlichen Nutzung in einer Dorfrandlage. Es werden seit gut 20 Jahren keine Pestizide ( Pflanzenschutzmittel aller Art ) ausgebracht. Es werden außerdem auch keine betriebsfremden Dünger wie ( Mist, Gülle, Biogassubstrat oder ähnlichem) ausgebracht. Auf dem Hof selbst gibt es keine Ställe, die multiresistente Keime, Stäube etc. ausblasen könnte.

Über den gesamten Standort verteilt befinden sich unter anderem Streuobstwiesen und Beerensträucher vieler Sorten und Reifegruppen, diverse Wildkräuter, Gewässer , Gehölze, Wallhecken und blühende Pflanzen über die gesamte Vegetationsperiode. In der direkten Nachbarschaft gibt es diverse Hausgärten, eine private und eine kommunale Streuobstwiese. Außerdem werden auf dem Standort von einem gemeinnützigen Verein gezielt Sekundärbiotope angelegt. Unter anderem auch mit Hilfe der Naturstiftung Osnabrück und des Landkreises. Zusammen mit anderen naturnahen Nachbargrundstücken haben wir eine Größe von ca 30 ha. Diese Bedingungen wären optimal für Wespen. Nun müssen wir feststellen, daß Schutzräume von dieser Größenordnung offensichtlich nicht ausreichen, der deutschen Wespe ein Überleben zu ermöglichen. Natürliche Krankheiten und Seuchen wären theoretisch denkbar, aber aufgrund der Indizienlage wenig wahrscheinlich. Dieses Problem ist von Menschen gemacht.

Im nächsten Jahr werden gezielte wissenschaftliche Untersuchungen auf dem Standort vorgenommen. Was auch immer die Gründe für das große Insektensterben , das heute nicht mehr übersehen werden kann , sind,--- Diese machen nicht Halt vor langjährigen komplexen Inselbiotopen, geschweige denn vor kosmetischen marginalen Blühstreifenkonstruktionen in der Landschaft. Diese linearen Kompensationsmaßnahmen , die mit Sicherheit sinnvoll und nötig sind und heute breit diskutiert werden,--- was können sie überhaupt leisten, um den dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten? Es ist zu befürchten, daß derartige Alibidiskussionen um geringst mögliche ökologische Hilfeleistungen das Grundproblem der Landbewirtschaftung nur weiter hinauszögern und die öffentliche Meinung durch vermeintliches Handeln in den regionalen Brennpunkten ruhig gestellt wird. In unseren regionalen Leitmedien wird dieses Thema oft und breit behandelt. Die Ursachen aber mit Rücksicht auf die regionalen Wirtschaftsfaktoren und deren Abhängigkeit davon kaum in den Fokus gestellt. An schwer geschädigten Standorten werden großflächige substantielle Korrekturen nötig sein. Ansonsten wird auch demnächst die Gesundheit der Bevölkerung betroffen sein bzw. Probleme offen zu Tage treten. Die Untersuchung zur Langzeitwirkung von Schadstoffen wie zum Beispiel von Pestiziden und deren Auswirkungen und Folgen ,wie Wissenschaftler wie Herr Tennekes vor Jahren schon vorausgesagt haben, sind heute allgemein sichtbar. Die weiteren Prognosen für die Gefährdung der Gesundheit des Menschen werden mit größter Wahrscheinlichkeit auch so zutreffen, insbesondere für die Bevölkerung, die in diesen Zonen wohnt und die , die sich von diesen Nahrungsmitteln ernährt.

Die desaströse Situation z.B. der Wespen muß also andere Ursachen haben, die nicht ursächlich im Nahrungsangebot und an den Lebensraummöglichkeiten liegen. Der holländische Toxikologe und Pestizid-Wissenschaftler Henk Tennekes hat in seinem Buch " Desaster in the Making " die Folgen der Anwendung von Pestiziden auf die Artenvielfalt und insbesondere ihre Auswirkungen auf Insekten und Vögel aufgezeigt.Thematisch wird die Langzeitwirkung und Kumulation von Wirkstoffen auf Lebewesen beschrieben.Die Forschungsergebnisse seiner Gruppe werden die gesetzlichen Zulassungsbestimmungen für Pflanzenschutzmittel verändern. Weil sie das Grundübel der heutigen Prüfungs- und Zulassungsverfahren sichtbar gemacht hat, -nämlich die langfristige kumulierende Wirkung nicht zu berücksichtigen. Bis dahin bleibt aber alles beim Alten.

In einem Vortrag im Sommer diesen Jahres in Osnabrück hat der Autor ausdrücklich auch die Auswirkungen auf den Mensch mit einbezogen. Die Qualität vieler moderner Pestizide hat seiner Meinung nach eine Stufe erreicht, das deren Auswirkungen auf das Leben an sich nicht mehr kontrollierbar und berechenbar ist. Nun bin ich Bauer aus Berufung und Überzeugung und glaube, daß auch andere das für sich in Anspruch nehmen , so daß jeder seinen eigenen Weg gehen kann und immer auch eine Wahl hat. Fast alle landwirtschaftlichen Nutzflächen und Tierproduktionsstandorte im Dorf sind heute dem Agrobusiness ( der heute übliche Begriff für Landwirtschaft in unserer Region , von Bauernvertretern geprägt ) zuzuordnen.

Heute bekommt man Geld für Greening, E.E.G. und Subventionen für ein wenig ökologische Barmherzigkeit. Eine Gesellschaft, die sich nicht anders zu helfen weiß, worin unterscheidet sich diese von einer mittelalterlichen Gesellschaft, die den Ablaßhandel förderte zur Erlangung von religiöser Absolution? Müssen wir uns jetzt ökologische Absolution erkaufen, während das Gewissen verstummt ist? Gefördert hat sie früher wie heute die Gier nach Geld derer , die dadurch profitieren und ohne Rücksicht gewachsene, nachhaltige Strukturen, nationaler und globaler Art, zerstören. Doch nur den Zwängen des Wettbewerbes und dem politischen Willen folgen zu müssen, sind wohlfeile Ausreden, das eigene Gewissen zu beruhigen bzw. sein Handeln zu rechtfertigen.

Die Grenzen zwischen profitgesteuertem Verhalten und rücksichtsvoller Interaktion mit seiner Umwelt ( inklusive der Mitmenschen ) vermischen sich zunehmens. Hier findet eine Negativauslese statt. Schöpfungsverantwortung ist zum Spielball wirtschaftlicher und politischer Interessen geworden. In Zukunft wird die Politik von einer gut und medienaffin ausgebildeten Generation mit den ihr eigenen modernen Netzwerken aus den Ballungszentren und Städten geprägt. Noch hat sich die Bevölkerung in den provinziellen landwirtschaftlichen Sonderzonen scheinbar mit den negativen Auswirkungen arrangiert. Das kann sich schnell ändern.

Die allgemeine Diskussion um die Problematik in der Landwirtschaft ist inzwischen so weit fortgeschritten, daß keiner mehr sagen kann " Das habe ich nicht gewußt ".Letzten Endes trifft jeder seine Entscheidungen alleine und sollte dafür auch seine Verantwortung übernehmen für sich und unsere Nachkommen .

Ein Beitrag des Vereinsmitglieds Johann Meyer, Landwirtschaftsmeister.